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Geschichte der Dorfkirche Lüdersdorf

1271 hören wir das erste Mal von diesem Dorf, das damals aber schon einige Jahrzehnte bestand. Auch eine Kirche wird es schon gegeben haben, aber nicht diejenige, die heute in Lüdersdorf steht.

Erste verbürgte Nachrichten über die Kirche datieren aus dem Jahre 1577. Von den Vorgängerbauten der heutigen Lüdersdorfer Kirche ist nichts bekannt. Wir wissen nicht, wie groß sie waren und woraus sie errichtet wurden. Genauso wenig wissen wir, auf welche Weise die Kirche im 16. Jahrhundert zerstört wurde, ob sie einfach nur abbrannte oder aus Mangel an Geld verfallen war.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts muss sie aber so desolat gewesen sein, dass eine grundlegende Erneuerung notwendig wurde. Herr über Lüdersdorf war zu jener Zeit Ehrentreich von Roebel, der das Rittergut wohl noch vor 1600 von seinem Vater, dem Feldmarschall Joachim von Roebel auf Friedland überlassen bekommen hatte. Ehrentreich wohnte aber hier nicht, sondern in Biegen im Lebuser Land. Begraben liegt der am 8.8.1630 Verstorbene weder hier noch dort, sondern in der Marien-Kirche zu Berlin, wo ein prächtiges Grabmal an ihn erinnert.

Ehrentreich von Roebel ist seinen Patronatspflichten in rühriger Weise nachgekommen, indem er 1611 die Kirche neu herrichten ließ. Dieser Wiederaufbau hat mit Sicherheit viel Geld gekostet und geschah in erster Linie zur Ehre Gottes aus dem starken Glauben heraus, dem Lüdersdorf wohl auch diese herrliche Stuckdecke verdankt.    

Dass es 1611 eine durchgreifende Erneuerung der Kirche gegeben hat, war den Glasfenstern zu entnehmen, die der Gutsherr Emil Koegel 1866 durch den Berliner Glasmaler Louis Müller wiederherstellen ließ. Diese kleinen Scheiben mit den Wappen der Stifter trugen folgende

Inschriften:„Ehrentreich von Roebel auf Biegen 1611 MGVK (dieses und das folgende Kürzel stehen auch unter den entsprechenden Stifterwappen an der Stuckdecke), Peter von Göllnitz auf Sauwen 1611  MHZG, Jochim von Roebel der Elter auf Friedland 1611, Hedewich von Krummensee 1611, Peter von Schliebens eheliche Hausfrau“. Ob in diesem Jahr der Erneuerung auch die Stuckdecke in die Kirche gekommen ist, kann man nur vermuten. Es muss aber um diese Zeit gewesen sein, denn das Doppelwappen der Stifter, Ehrentreich von Roebel und seine Frau Anna von Goellnitz, soll früher ebenfalls die Jahreszahl 1611 gezeigt haben.

Die Lüdersdorfer Stuckdecke ist von hervorragendem künstlerischem Rang mit hoher kunst-wissenschaftlicher Bedeutung. Die einzelnen Kassetten zeigen stuckierte Hochreliefs mit bib-lischen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Sie gruppieren sich um die zentrale Darstellung der Kreuzigung, die nicht wie die anderen Bilder von runden oder achteckigen  Rahmen, sondern von einem rechteckigen umschlossen wird.

Das Wort Gottes ist in dieser brandenburgischen Dorfkirche auf Veranlassung des Patrons besonders reich bebildert worden, und zwar aus reformatorischer Absicht, wie man vermuten kann. Die Anfangsbuchstaben des Schöpfers dieser Decke lauten „W. S.“ und standen ehemals auf dem Rand der Himmelfahrt-Darstellung. Wer sich hinter diesem Monogramm verbirgt, woher er kam und was er sonst noch geschaffen hat, bleibt im Dunkeln. Bei der Himmelfahrt ist im Amtskleid und auf Knien betend der Pfarrer Bartholomäus Schultze (Praetorius) dargestellt.

Die Reihe der Darstellungen beginnt im nordöstlichen Feld mit der Erschaffung der Welt, rechts davon befindet sich der Sündenfall, weiter rechts an der Südostecke die Verkündigung Mariae. Der mittlere Streifen zeigt von links nach rechts die Anbetung der Hirten, die Kreuzi-gung und die Auferstehung. Die westlichen Felder enthalten die Himmelfahrt, das Doppel-wappen in der Mittelachse und die Ausgießung des Heiligen Geistes.

Kunstwissenschaftlich ist 1611 ein sehr frühes Datum für die Entstehung dieser Decke. Die einzige stilistische Parallele finden wir in Brandenburg im Schloß Boitzenburg in der Uckermark. Dessen Stuckdecken sind aber erst aus dem Jahre 1655. Andere hervorragende Zeugnisse dieses Kunststils finden wir aus dieser Zeit erst wieder in Thüringen.

Schon im vorigen Jahrhundert waren Reparaturen der empfindlichen Decke notwendig. Damals hatte man die gesamte rechte Hälfte der Verkündigung, da wo der Engel stehen müsste, durch eine flache Putzergänzung ersetzt.

Nach 1945 scheiterten dringliche Reparaturen zunächst immer wieder am Geld. 1953/54 kam es dann zu Arbeiten an Dach und Dachstuhl sowie zu Ergänzungen großer Stuckdeckenbereiche, die der Restaurator W. Schenk aus Frankfurt (Oder) ausführte. Er orientierte sich an Fotografien aus der Vorkriegszeit. Auf Grund der Kriegseinwirkungen waren Teile der Decke herabgefallen und mussten wieder ergänzt werden. Damals wurde aber das Dach nur behelfsmäßig repariert, so dass eindringendes Wasser immer wieder den Stuck durchfeuchten konnte. 1973 fiel am Wappenfeld wieder eine größere Stuckfläche herab, wonach dann erst 1975 das Dach neu gedeckt und die Decke erneut repariert wurde. Damit waren aber die Ursachen für die Schäden noch nicht beseitigt. Nach einigen Jahren fielen wieder Stuckteile herab, so dass die Kirche baupolizeilich gesperrt werden musste. 1993 war nach Jahren des Bangens wieder ein großes Stück heruntergefallen, und zwar genau auf die Taufe, die dabei zerstört wurde. Kurz zuvor hatten rettende Maßnahmen begonnen, die 1998 zu einem guten Ende führten.

Im Jahre 1821 fand eine umfassende Erneuerung des im Kern mittelalterlichen und turmlosen Gemäuers statt, von der der westliche Erweiterungsbau und auch der Orgelprospekt mit der restaurierten Orgel von 1876 stammen. Die Kanzel ist von 1836. Außen an der Südseite steht ein Inschriftgrabstein von 1797. Im freistehenden gemauerten Glockenstuhl von 1853 hängt eine Glocke vom Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts. Eine zweite Glocke aus dieser Zeit ist wahrscheinlich im Zweiten Weltkrieg abgeliefert worden. Die Messingtaufschale stammt aus dem 17. Jahrhundert und trägt die Stifterinschrift: „ANNA CATHARINA VATERNAMIN WITTWE LEISTEN HAT SOLCHES ZUM ANDENCKEN VEREHRT 1743“.

(Dr. Schmook)

Die Stuckdecke

Letzte Änderung am: 24.04.2020